14. Dezember 2021
Traute Theurer:
Rede zum Haushalt 2022
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,
besser als gedacht, aber noch lange nicht gut, so muss der Haushalt 2022 betitelt werden.
Mit einem Defizit von 5,67 Millionen Euro im Ergebnishaushalt im 2. Corona-Pandemiejahr bleiben wir hinter der Prognose des vergangenen Jahres zurück.
Dass das Ergebnis wider Erwarten besser ausfällt, wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Wir bekommen 5,5 Millionen Euro Einmaleffektzahlungen aufgrund von vermehrten Zuwendungen und Zuweisungen. Maßgeblich sind verwaltungsintern auferlegte Einsparmaßnahmen der Ämter von 2,5 Millionen Euro, Sonderzahlungen der Zweckverbände, eine um 700.000 Euro niedrigere Kreisumlage und das Verschieben von Unterhaltungsmaßnahmen, um nur einige Beispiele zu nennen. Ohne diese Maßnahmen würde das Ergebnis tatsächlich um einiges schlechter aussehen. Das Licht am Ende des Tunnels lässt noch auf sich warten.
Der Haushalt 2022 ist geprägt von der Erfüllung der Pflichtaufgaben, nämlich den Investitionen in unsere Bildungseinrichtungen wie der Ausbau des Campus Bissingen, die Fertigstellung der Turnhalle mit Mensa der Hillerschule und die weiteren Sanierungsmaßnahmen der Ellental-Gymnasien. Die Erweiterungen der Kindertageseinrichtungen Streifelbach und Breslauer Straße, in Metterzimmern und im Fliederweg gehen voran. Im Entstehen ist das neue Kinderhaus in der Gerokstraße. Die erste Anzahlung für das Kinderhaus im Lothar-Späth-Carré wird fällig. Das Kinderhaus Domino im Buch wurde fertiggestellt und eingeweiht. Die Wohlfühlatmosphäre für die Kinder, die sich dort den ganzen Tag aufhalten, ist wunderbar. Die Investitionen in diese Gebäude werden zu einer Abnahme unserer Liquidität führen. Die Personalkosten steigen durch eine Erhöhung des Personalbestands. Die Unterhaltungskosten nehmen für die größer werdende Anzahl der Gebäude zu. Beides belastet unseren Ergebnishaushalt. Dazu stehen wir als GAL-Fraktion. Geld in Bildung angelegt, ist gut angelegtes Geld.
Extremwettereignisse wie die Überschwemmungskatastrophe im Ahrtal, häufen sich. Nicht mehr nur in anderen Teilen der Welt, sondern auch bei uns. Die dringlichste Aufgabe unserer Zeit ist der Klimaschutz. Das Ziel, die durch Treibhausgase verursachte Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist notwendig, sonst schlittern wir in eine neue „Heißzeit“ mit entsetzlichen Folgen. Darauf zu warten, dass die EU und die Bundespolitik die großen Vorgaben regeln, ist richtig und die eine Seite, aber es muss sich schnell etwas ändern und zwar auf verschiedenen Ebenen, also auch auf der kommunalen Ebene. Hier bei uns. Das ist unsere zentrale Aufgabe vor Ort.
Wir haben in Bietigheim-Bissingen schon vieles auf den Weg gebracht, unsere Anstrengungen sind gut und wir müssen uns keinesfalls verstecken. So kommt bei uns Biogas zum Einsatz, es gibt Ökostrom der Stadtwerke, wir beteiligen uns an Windparks und einer Biogutvergärungsanlage, das Wärmenetz wird weiter ausgebaut, auf den städtischen Gebäuden gibt es bereits und werden weiterhin Photovoltaikanlagen installiert. Wir haben ein modernes Buskonzept und das 3-Euro-Stadt-Ticket. Die Stadtverwaltung bietet für die Beschäftigten ein Jobticket an. Unser Stadtwald wird zertifiziert, Flugreisen werden klimaneutral abgerechnet, die Beleuchtung ist auf LED-Lampen umgestellt, die Ladesäulen für Elektrofahrzeuge wachsen wie Pilze aus dem Boden, wir fördern Lastenräder und den Erhalt der Streuobstwiesen. In den Schulen und Kindertageseinrichtungen wird zu einem 20 Prozentanteil Bioessen angeboten. Leider kommt vieles davon bei der Bevölkerung nicht an und etwas mehr Öffentlichkeitsarbeit würde nicht schaden.
Diese lange Auflistung all dieser klimawirksamen Maßnahmen haben wir zusammengetragen, als wir uns kürzlich mit einem Vertreter der neugegründeten Initiative „Bietigheim-Bissingen klimaneutral“ ausgetauscht haben. In der letzten Online-Umfrage zum Stadtentwicklungskonzept im Frühjahr 2021 sagen 88% der Befragten, dass ihnen der Klimaschutz wichtig ist. Wir, d.h. der gesamte Gemeinderat, sind mit unseren Aktivitäten gefordert.
Aber die zahlreichen Maßnahmen reichen noch nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen. Dazu braucht es noch eine erhebliche Steigerung unserer Anstrengungen. Beispielsweise bei der städtischen und privaten Gebäudesanierung. 35% der Treibhausgase kommen aus dem Gebäudebestand.
Der gezielte Ausbau von Photovoltaikanlagen auf vorhandenen Dächern von Privathäusern, auf Gebäuden in unseren Gewerbegebieten, auch auf denen der Zweckverbände und auf Parkhäusern muss beschleunigt werden. Photovoltaikanlagen brauchen wir auf jedem Dach oder auf geeigneten Freiflächen im Außenbereich, damit wir von Kohle, Erdgas und Erdöl wegkommen.
Und wir müssen endlich an die Parkraumbewirtschaftung rangehen.
Wie können wir unsere Ziele zügig erreichen?
Dazu unser Antrag:
Die GAL-Fraktion beantragt eine Personalstelle für den Klimaschutz.
Dass auf kommunalen Klimaschutz und Klimaschutzkonzepte viel Wert gelegt wird, zeigen die vielen Förderprogramme von Bund und Land für Personal und Maßnahmen. Die vorhandene Personalausstattung in Bietigheim-Bissingen wird nicht ausreichen, um auf die Thematik einzugehen, deshalb halten wir neue Stellen für dringend notwendig.
Wir brauchen jemand, der uns sagt, wie wir an Fördertöpfe herankommen, der Konzepte, Maßnahmen und Öffentlichkeitsarbeit entwickelt für die Verwaltung und die Bürger und Bürgerinnen, damit die Klimabilanz der Stadt Bietigheim-Bissingen sich nachhaltig verbessern wird.
Unserer Einschätzung nach erfolgt die Kostendeckung für diese neue Stelle, evtl. auch mehrerer Stellen über Fördermittel und Energieeinsparmaßnahmen. Denn wer Energie spart, spart letztlich auch Geld und so zahlen sich diese Stellen auch aus.
Ausreichendes Personal ist der Knack- und Angelpunkt. Nachdem die erstmalige Abstimmung vor 2 Jahren schieflief, hoffen wir jetzt auf Zustimmung. Den Klimaschutz von Verwaltungsseite aufzugreifen und voranzutreiben, hätten wir uns gewünscht. Gehen wir es jetzt an. Wir sind auf einem guten Weg.
Unser zweiter Antrag hat auch den Klimaschutz zum Ziel
Die GAL-Fraktion beantragt die Teilnahme am European Energy Award und die Durchführung des dazugehörigen Qualitätsmanagements.
Der European Energy Award ist ein Qualitätsmanagementsystem und Zertifizierungsverfahren für kommunale Energieeffizienz und Klimaschutz, das lokale Potenziale erkennt und nutzt und die Akteure vor Ort einbindet. Durch die wiederkehrende Bestandsaufnahme und die Definition von Zielen wird ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess erreicht. Die bisherigen Anstrengungen und Erfolge der Stadt Bietigheim-Bissingen sowie ihrer Stadtwerke, wie bereits beschrieben, lassen sich damit neutral messen und vergleichen. Ein Ergebnis ist auch die Standortbestimmung zur Vergleichbarkeit. Das ist uns wichtig.
Zur Finanzierung der Kosten gibt es einen Förderbeitrag von 10.000 Euro und die Kommune muss sich mit einem Jahresbeitrag beteiligen. Zugegeben die Teilnahme kostet etwas, neben der Gebühr auch den Personaleinsatz. Und ich wiederhole mich in abgewandelter Form: Geld in den Klimaschutz angelegtes Geld ist gut angelegtes Geld, ähnlich wie bei der Bildung, ist es eine Anzahlung in die Zukunft.
Dass der Klimaschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, lässt sich an den zahlreichen Anträgen dazu in diesem Jahr ablesen. Das gab es so noch nie. Ein konzertierter Vorstoß. Die Verwaltung bekommt einen klaren Handlungsauftrag und hat eine Bündelung der klimarelevanten Anträge und die Erstellung eines Konzepts im 1. Halbjahr 2022 zugesagt. Nach GAL-Ansicht darf das schon im zeitigen 1. Halbjahr 2022 sein. Wir sind spät dran und ein Konzept ist längst überfällig. Wir wollen keine leeren Reden, keine Lippenbekenntnisse und keine nicht eingehaltenen Versprechungen mehr. Wir wollen reale Fortschritte. Es ist höchste Zeit zu handeln.
Eine effiziente Maßnahme zur Senkung des CO2-Ausstoßes ist die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs und der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs.
An dieser Stelle haben wir vor zwei Jahren einstimmig auf Antrag der GAL das 3-Euro-Stadt-Ticket verabschiedet. Trotz der Einschränkungen in Corona-Zeiten ist es ein voller Erfolg. Für einen besseren ÖPNV wünschen wir uns weitere Ticketermäßigungen, mehr Fahrten, mehr Kapazitäten, dichtere Takte und neue Busantriebe. Aber mehr ÖPNV kostet eben auch mehr Geld. Die Kosten belasten den Ergebnishaushalt mit derzeit ca. 1,5 Mio. Euro. Deshalb werden andere Finanzierungskonzepte für den ÖPNV notwendig.
Der Mobilitätspass, auch Nahverkehrsabgabe genannt, ist eine Möglichkeit, die Kosten für die Verkehrswende auf viele Schultern zu verteilen und gemeinsam zu finanzieren. Es ist ein Fahrschein, den alle Menschen bezahlen, die sich motorisiert bewegen. Auch Autofahrer würden sich mit einem Mobilitätspass solidarisch an den Kosten des Verkehrs beteiligen.
Wir begrüßen, dass Stuttgart und die Landkreise Modellregion für einen Mobilitätspass geworden sind. Wir wollen, dass mit den Einnahmen aus dem Mobilitätspass eine Offensive für den ÖPNV gestartet werden kann.
Gut Ding braucht Weile – keine Frage. Aber mit der Umsetzung der Mettertalanalyse lassen wir uns schon sehr viel Zeit. Der 1. Anlauf war im Jahr 2000. Der 2. Anlauf dann 2017. Einen 3. Anlauf brauchen wir nicht. Es muss in Anbetracht unseres Sparhaushalts nicht der ganz große Wurf sein. Die GAL ist der Meinung, dass auch kleine Maßnahmen Trittsteine sind, die zu einer Verbesserung der Wegebeziehungen, der Straßenführung und der Naturbereiche führen und so die Attraktivität der Altstadt erhöhen. Die GAL will keinen Stillstand, deshalb plädieren wir dafür, weiteres Geld in die mittelfristige Finanzplanung einzustellen.
Schwerpunkt unserer Anträge und meiner Rede war unverkennbar der Klimaschutz. Die schlimmsten Folgen können wir noch verhindern, wenn wir jetzt die Notbremse ziehen und die Treibhausgase radikal senken.
Und Herr Oberbürgermeister, bevor Sie mir wieder in der Antwortrunde sagen, dass Angst ein schlechter Ratgeber ist, dann sage ich Ihnen: Ich habe keine Angst. Ich habe große Sorge um die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder. Das ist für mich Ansporn.
Wir sind erschöpft von fast 2 Jahren Corona-Pandemie. Auch hier hoffen wir auf ein Licht am Ende des Tunnels. Wir hoffen darauf, dass Omikron nicht den wirtschaftlichen Aufschwung und die Haushaltsplanung für das Jahr 2022 durcheinander wirbelt.
Ganz zum Schluss gilt mein herzlicher Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung für die konstruktive Zusammenarbeit. Sie nehmen sich für unsere Anliegen und Anfragen immer Zeit und haben ein offenes Ohr.
Die GAL-Fraktion stimmt der Haushaltssatzung 2022 und der mittelfristigen Finanzplanung 2021 bis 2025 zu.